Denkmalschutz: „Wenn Steine sprechen könnten“

Von Dieter Schütte

In zahllosen Gemeinden Deutschlands erinnern Denkmäler an die vielen Kriegstoten, die unser Land seit den Tagen Napoleons zu beklagen hat: Häufig hängen auch in den Kirchen lange Tafeln mit den Überschriften 1813, 1864, 1866, 1870/71, 1914/18 und 1939/45 und den Namen der gefallenen örtlichen Soldaten.
Viele Kyffhäuser Kameradschaften- darunter auch zahlreiche Jugendgruppen- pflegen und schützen ehrenamtlich diese Kriegsdenkmäler mit den dazugehörenden Grünanlagen oder haben Patenschaften zur Betreuung von Grabstätten ausländischer Kriegsgefangenen, die vor und während der Kriegsjahre in ihren Gemeinden starben. Denkmäler oder Steinkreuze werden fachmännisch gereinigt und auch neu beschriftet. Gruppenweise machen es sich Helferteams zur Aufgabe, beschneiden das Buschwerk, erneuern die Sitzbänke oder unterstützen finanziell die Denkmalpflege.
Denkmäler sind Ausdruck eines Zeitgeistes, sie vergegenwärtigen unser Erbe, konfrontieren uns mit einer fortwirkenden Vergangenheit, die – beharrlich, unbarmherzig, bisweilen auch versöhnlich – in unsere Gegenwart hineinragt. Sie sind bis zur Demokratisierung Deutschlands als Verbindungsglied zwischen herrschender Klasse und Bürgerschicht zu verstehen. Dem Volk wurden vorherrschende Ideale vermittelt und die „oberen Schichten“ sahen sich durch Denkmäler an „Fürsorgepflichten“ gebunden. Ein Denkmal ist ein Monument (lateinisch „monere“) und soll erinnern.
Aber die Menschen, die sich heute um ihre heimischen Denkmäler versammeln oder das Kyffhäuserdenkmal betrachten, haben sich gewandelt- sie sind die „Kinder ihrer Zeit“ und werden ihre eigene Geschichte schreiben. Sie richten ihre Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in einem geeinten Europa und sind bereit, ihren Beitrag für dieses Ziel zu leisten, wollen mithelfen, die soziale Gerechtigkeit und den Frieden innerhalb Deutschlands zu sichern.

Heutige Sichtweisen: Das Kyffhäuserdenkmal …

Das sanierte Denkmal (Foto: Wolfram Mandry)
Das sanierte Denkmal (Foto: Wolfram Mandry)

Das Kyffhäuserdenkmal im thüringischen Kyffhäusergebirge wurde 1896 zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. geweiht und symbolisiert, wie eh und je, die deutsche Einheit. Die Bausumme von 1.452241,37 Millionen Mark sammelten die Mitglieder aller Kriegervereine- eine gigantische Meisterleistung. Alfred Westphal, Schriftführer im Vorstand des Deutschen Kriegerbundes, konnte sich einer breiten Zustimmung sicher sein, als er in der Bundeszeitung am 22. März 1888 seinen Aufruf veröffentlichte, dem wenige Tage vorher verstorbenen Kaiser Wilhelm I., (er verstarb am 9. März 1888) auf dem Kyffhäuser ein Denkmal zu setzen.
Im Oktober 1889 schrieb der Denkmalausschuss ein Preisausschreiben für die geplante Gestaltung des Denkmals aus, Kaiser Wilhelm II. sowie eine Jury begutachteten die 24 Wettbewerbsbeiträge und entschieden sich für den Entwurf des Architekten Bruno Schmitz (Berlin). Die Bauarbeiten begannen im Oktober 1890 und die feierliche Grundsteinlegung fand am 10. Mai 1892 statt, zu der über 15.000 Veteranen der Kriege 1864, 1866 und 1870/71 kamen. Für die Westdeutschen war das Kyffhäuserdenkmal im Norden Thüringens bis 1989 hinter dem Eisernen Vorhang verborgen. Seitdem ist es wieder zu einer touristischen Hauptattraktion geworden – sein 120-jähriges Bestehen wurde vom 18. bis 25. Juni 2016 mit einer attraktiven Festwoche gefeiert.  
Seit jeher aber wandern jährlich abertausende Besucher den Kyffhäuserberg hinauf, aus kunsthistorischer Sicht, dem Interesse an der deutschen Geschichte oder um die herrliche Aussicht über die „Goldene Aue“ zu genießen. Das sanierte Denkmal (Gesamthöhe 81 Meter, Turmhöhe 57 Meter) sieht heute fast so aus, wie es vor 120 Jahren erbaut wurde.

… und wie der Kyffhäuserbund e.V. zu seinem Namen kam

Der Kyffhäuserbund verdankt seinem Namen und seine Struktur dem 1896 eingeweihten Denkmal auf dem Kamm des gleichnamigen Gebirges. Erbauer und Finanzierer des Denkmals sollten die deutschen Kriegervereine sein, in der Hoffnung, dass sich diese durch das große, gemeinsame  Projekt vereinen. Das Denkmal verkörperte die zu Stein gewordene Idee eines reichsweiten Kriegerbundes und als es geweiht wurde, waren auch die auseinanderstrebenden Kräfte der Landesverbände miteinander versöhnt- der Kyffhäuserbund fand 1900 als eingetragener Verein seine Geburtsstunde. Bereits 1913 führte der Kyffhäuserbund über 2,7 Millionen Mitglieder in 27 Landesverbänden mit 30 651 Vereinen.

Mit dem Denkmal verbindet sich aber auch eine der populärsten Sagen Deutschlands, nämlich die vom Kaiser Rotbart in seinem Berg. Ihr zufolge ist Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ (er lebte von 1122 bis 10. Juni 1190, wurde Kaiser des römisch-deutschen Reiches ab 1155) nicht im heutigen südtürkischen Fluss Saleph ertrunken, sondern hält sich in den Höhlen des Kyffhäusers verborgen, um eines Tages zurückzukehren und die Kaisermacht der Staufer wieder aufzurichten. Dieser Hintergrund bot sich an, um die kriegerische Reichseinigung unter preußischer Führung 1871 als Erfüllung der Kyffhäusersage zu interpretieren: Kaiser Wilhelm I. war als „Barbablanca“, eine Art zurückkehrender Barbarossa. Der Weißbart auf des Rotbarts Throne.
Die Erbauer des Denkmals fanden auf dem Kyffhäuser die Überreste einer mächtigen mittelalterlichen Reichsburg vor. Schon früh wurde ihr Name mit dem Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ verbunden. Die Regierungszeit dieses Stauferkaisers und die seines Nachfolgers Friedrich II. war als Blütezeit des Römischen Reiches Deutscher Nation, eine Zeit des Friedens und des Wohlstandes in der Geschichte des frühen Mittelalters. Später, als Krieg, Pest und Hungersnot über die Menschen kamen, wuchs die Sehnsucht nach Frieden und einem Herrscher, der diesen Frieden bringen konnte. So entstand die Sage von Friedrich Barbarossa, der im Kyffhäuserberg schläft und darauf wartet, eines Tages wieder gerufen zu werden, um aus dem zersplitterten, uneinigen, von Kriegen und Nöten gebeutelten Deutschland wieder ein Reich zu schaffen, in dem die Menschen in Frieden leben könnten.

Trend ihrer Zeit - heute Wertegemeinschaft

Mit dem Ort des Denkmals auf dem Kyffhäuserberg lagen Alfred Westphal und Bruno Schmitz daher ganz im Trend ihrer Zeit, Denkmäler fernab von jeder Stadt auf einem Berg weithin sichtbar wirken zu lassen und dem Betrachter damit – ganz in der Tradition von Empfindsamkeit und Romantik – ein starkes Naturerlebnis zu vermitteln. Durch seine dominante Lage im Herzen Deutschlands sollte die umfassende Geltung des Denkmals zur Wirkung kommen. Als demokratische Wertegemeinschaft bereichert der Kyffhäuserbund e.V. mit Denkmalschutz, Heimatpflege, sozialer Fürsorge, Sportschützenwesen, politischer Bildung, Jugend-, Frauen- und Reservistenarbeit diesen europäischen Gedanken zur Völkerverständigung.